
© MAK/Georg Mayer[/caption] Auch der folgende Blogbeitrag wirft ein kurzes Schlaglicht auf ein Objekt aus der Möbelsammlung, das im MAK Design Lab nicht nur in unmittelbarer Nähe des Hundepelzhockers positioniert ist, sondern ebenfalls humorvoll das menschliche Bedürfnis nach tierischen Trophäen aufs Korn nimmt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die charakteristischen Geweihmöbel, die im 19. Jahrhundert in Mode gekommen waren, als geschmackliche Verfehlungen geächtet. Erst in den 1980er Jahren – auf dem Höhepunkt der Postmoderne – kam es zu einer Wiederentdeckung von Geweih als Material innovativer Designstrategien. In diesem Kontext entstand um 1984/85 auch der Geweihventilator von Uwe van Afferden. [caption id="attachment_12616" align="alignleft" width="840"]

© MAK/Georg Mayer[/caption] Der deutsche Designer van Afferden hatte sich Mitte der 1980er Jahre intensiv – aber durchaus kritisch – mit dem Thema Geweih beschäftigt: „Während meiner Arbeiten entdeckte ich die natürliche Schönheit des Geweihs. Sein Wuchs, seine Struktur, seine Stabilität, vor allem aber seine Individualität weckten mein Interesse. Besonders fasziniert mich die Tatsache, daß Geweih Teil eines Lebens war. Ich bemalte Geweihe, vergoldete sie, montierte sie auf edelste Marmorplatten. Ich überspitzte den ‚Geweih-Kult’ dermaßen, daß er nicht mehr ernst zu nehmen war.“ (van Afferden, zit. nach: Volker Albus (Hg.): Gefühlscollagen. Wohnen von Sinnen, Köln 1986, S. 122) Entsprechend wurden van Afferdens postmoderne Geweihmöbel in der zeitgenössischen Kritik als „Hommage an das Ursymbol des ‚Röhrenden Hirschen’“ wahrgenommen. Nicht zuletzt aufgrund solcher Assoziationsmöglichkeiten ist Geweih ein Material mit einem gewissen symbolischen Überschuss, das sich Designer*innen für die ironisch-distanzierte Verwendung geradezu anbietet. Allerdings ist es wohl meist eine Frage des Kontextes, ob ein Geweihmöbel als den Geweih-Kult persiflierend oder aktualisierend wahrgenommen wird: Bei van Afferdens mit Damhirschschaufeln umgestalteten Ventilator der US-amerikanischen Firma Hunter ist sicherlich beides der Fall – die Distanzierung von festgeschriebenen Alpenklischees ebenso wie die ästhetische Aktualisierung der Geweihmöbel fernab von waidmännischem Kitsch oder überkommener Rustikalität. [caption id="attachment_12618" align="alignleft" width="769"]

© MAK/Georg Mayer[/caption] Der Ventilator ‚funktioniert’ als stilgerechtes, gut gestaltetes Designerstück ebenso wie als bedeutungsvolles Kunstobjekt! In dieser Doppeldeutigkeit wurde das Objekt 2009 in der MAK Ausstellung Möbel als Trophäe (27. Mai – 1. November 2009) ausgestellt. [caption id="attachment_12620" align="alignleft" width="595"]

© MAK/Georg Mayer[/caption] In der Ausstellung bildete der von Uwe van Afferden zunächst als Leihgabe zur Verfügung gestellte Geweihventilator eine perfekte Ergänzung bzw. Durchkreuzung eines kulturgeschichtlich höchst bedeutsamen Ensembles – den Geweihmöbeln aus dem kaiserlichen Jagdschloss Neuberg an der Mürz, die sich bereits seit 1992 in der Sammlung des MAK befinden. Das aufwendig aus Hirschgeweihen und anderen Jagdtrophäen gefertigte Mobiliar, das einen Konsoltisch, einen runden Tisch mit Marmorplatte, zwei Sessel, zwei Armlehnsessel sowie eine Hängegarderobe umfasst, wurde von Kaiser Franz Joseph I. in Auftrag gegeben, als er in den 1850er Jahren den Südosttrakt des ehemaligen Zisterzienserstiftes Neuberg zu seinem Jagdschloss umbauen ließ. (Vgl. dazu den MAK Ausstellungskatalog Möbel als Trophäe, Wien 2009) [caption id="attachment_12622" align="alignleft" width="840"]

© MAK/Georg Mayer[/caption] Im Anschluss an die MAK Ausstellung erklärte sich der in Düsseldorf lebende Designer Uwe van Afferden bereit, seinen hintergründig-humorvollen Geweihventilator – bei dem es sich übrigens um ein ausgewiesenes Einzelstück handelt – zu veräußern. 2010 konnte das wegweisende Objekt aus dem Neuen Deutschen Design der 1980er Jahre schließlich durch Unterstützung der MAK Art Society (MARS) für die Möbelsammlung des MAK erworben werden, wo es seither die historischen Geweihmöbel-Bestände des 19. Jahrhunderts kongenial ergänzt – und konterkariert! Ein Beitrag von Sebastian Hackenschmidt, Kustode MAK Sammlung Möbel und Holzarbeiten